Gemeinsamer Antrag: Rechenzentren für den Main-Kinzig-Kreis

Der Kreistag beschließt:

  1. Kompetenz: Der Kreisausschuss wird beauftragt, im Bereich der Wirtschaftsförderung zeitnah, d.h. bis zum 3. Quartal 2023, eine Kompetenzstelle für die Ansiedlung von Rechenzentren im Main-Kinzig-Kreis einzurichten.

Diese soll – unbeschadet der kommunalen Planungshoheit – die Kommunen des MKK für Bedeutung und Herausforderungen der Rechenzentrums-Infrastruktur sensibilisieren, diese aktiv unterstützen, beraten und, wenn gewünscht, in den Verhandlungen mit potenziellen Rechenzentrums-Betreibern begleiten.

Zu diesem Zweck wird sie mit folgenden Aufgaben betraut:

  1. Auswertung vorhandener       Potenzialanalysen   für       mögliche

Rechenzentrumsstandorte im Main-Kinzig-Kreis. Identifizierung weiterer geeigneter und möglichst flächensparsamer Areale gemeinsam mit den interessierten Kommunen. Dies ist wegen der besonderen Nähe zum weltweit führenden Internetknoten DE-CIX in Frankfurt am Main im westlichen und mittleren Kreis dringlich; aber auch die Möglichkeiten des östlichen MKK sind ausdrücklich in den Blick zu nehmen.

  1. Erstellung von Qualitätsanforderungen und Empfehlungen für Standorte und Ansiedlungen. Die Empfehlungen und eine Qualitätsmatrix zur Bewertung der Anbieter werden im Ausschuss WEVUL beraten und den Kommunen als Unterstützung und mit Beratungsangeboten zur Verfügung gestellt. Sie berücksichtigen die unter Ziffer 2 genannten Kriterien.
  2. Screening der Förderkulisse, z.B. im Blick auf Kombination von Rechenzentren und Nahwärmesystemen.
  3. Aktive Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit für den Main-Kinzig-Kreis als Standort für Rechenzentren.

 

Koordination der Belange von Bürgern, Wirtschaft und Natur des Main-KinzigKreises, zwischen Regionalplanung beim Regionalverband Rhein-Main und der Regionalversammlung Südhessen, dem Rechenzentrumsbüro Hessen sowie den Kommunen des MKK und dem Kreis selbst (Bauaufsicht).

  1. Beratung der Kommunen bezüglich kommunaler Ansiedlungskonzepte, wie es sie beispielsweise in Hanau bereits gibt, Bereitstellung von Informationen, ggf. von Musterverträgen und ähnlichen Unterstützungsleistungen.
  1. Kriterien: Als Qualitätsanforderungen sind bei den Aufgaben nach Ziffer 1 vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen:
  • Energieversorgung: Quantität und Sicherheit sowie Klimaneutralität (laut EU-Pakt für klimaneutrale Rechenzentren bis 2030);
  • Energieversorgung bevorzugt aus erneuerbaren Energien; Energieeffizienz
  • Lage, z.B. Nähe zu Gewerbegebieten oder DE-CIX
  • Kühlungssysteme, Abwärmenutzung und Abwärmeformen (vs. Emissionen), bauliche Architekturen, Notstromversorgungen, sonstiger Ressourcenverbrauch (Wasser), Lärm, Optik
  • Verknüpfung mit kommunalen Wärmeplanungen
  • Flächenkonkurrenz zu Gewerbegebieten
  • Minimierung des zusätzlichen Flächenverbrauches mit seinen ökologischen Auswirkungen
  • Gewerbesteuereinnahmen
  • Schaffung von Arbeitsplätzen
  • Zufahrten
  • Grundanforderungen des Blauen Engels
  1. Kommunikation: Wegen des Flaschenhalses der Energieversorgung und zur Moderation von Zielkonflikten initiiert die Kompetenzstelle einen Runden Tisch unter Beteiligung von Fraktionen, Klimamanagement und der IHK.

Als Mitwirkende sind je nach Themenstellung die einschlägigen Energieversorger, zivilgesellschaftliche Gruppen wie BUND, Greenpeace oder auch erfahrenen unabhängigen Experten oder das Rechenzentrumsbüro Hessen einzuladen.

Der Runde Tisch „Rechenzentren“ tagt viermal im Jahr.

 

Begründung:

Rechenzentren sind „Grundpfeiler der Digitalisierung“. Für die Zukunft des MainKinzig-Kreises – und das heißt: für die Menschen, die hier leben und arbeiten werden – ist die digitale Infrastruktur genauso wichtig wie Bahnhöfe, Straßen oder die Wälder. Und für die digitale Infrastruktur des MKK sind Rechenzentren nicht weniger wichtig als Glasfaserkabel. In Sachen Glasfaser ist der Kreis gut aufgestellt. Jetzt kommt es darauf an, die digitale Infrastruktur systematisch weiter zu entwickeln – und dazu gehört die Ansiedlung von Rechenzentren und zwar sowohl schnell als auch nachhaltig.

Der weltweit führende Internetknoten DE-CIX befindet sich in Frankfurt am Main. Die Nähe zu diesem Knoten bedeutet geringe Datenlaufzeiten im weltweiten Netz. Dies ist ein Standortvorteil, der den Main-Kinzig-Kreis als Standort für neue Rechenzentren äußerst attraktiv macht. Gemeinsam mit den Kommunen wollen wir diesen Standortvorteil nutzen. Ziel ist es, nicht nur Rechenzentren im Main-KinzigKreis anzusiedeln, sondern einen möglichst großen Teil der damit verbundenen Wertschöpfungskette in den Main-Kinzig-Kreis zu holen. Dies schafft nicht zuletzt attraktive Arbeitsangebote für die Menschen in unserem Landkreis. Innovative Konzepte werden auch dazu beitragen, unser Klima zu schützen.

Dies ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Kreis und Kommunen und privaten Akteuren. Der Kreis leistet seinen dafür möglichen Beitrag bisher nicht. Dem muss abgeholfen werden. Die Stadt Hanau hat 2021 ein eigenes Ansiedlungskonzept für Rechenzentren beschlossen. Die Rolle des Kreises muss im Zusammenspiel mit den Kommunen eine andere sein. Wir fordern daher die Einrichtung einer Kompetenzstelle, welche nach außen für den Main-Kinzig-Kreis als Rechenzentrumsstandort wirbt und nach innen berät und koordiniert. Der Personalaufwuchs im Haushalt 2023 im Umfang von 77 Planstellen macht es bei entsprechender Prioritätensetzung möglich, dies durch Umwidmung vor Besetzung entsprechender Stellen zu finanzieren.

Die Ansiedlung von Rechenzentren im Rhein-Main-Gebiet ist keine Frage des „Ob“, sondern des „Wo“ und „Wie“. Eine frühzeitige kluge Koordination von Standorten kann Konflikte vermeiden helfen. Dies ist nötig, weil Zielkonflikte beim Bau von Infrastruktur unausweichlich sind. Denn neben vielen Vorteilen (z.B. Gewerbesteueraufkommen bei relativ geringer Verkehrsbelastung) stellen Rechenzentren auch eine Herausforderung dar.

Eine der größten Herausforderungen dabei ist der Energiebedarf. Die Leistung der Rechenzentren im Rhein-Main-Gebiet hat sich von 2016 (200 MW) auf 2019 (400 MW) verdoppelt, eine Vervierfachung auf 800 MW wird für das Jahr 2023 erwartet, im Jahr 2025 werden vermutlich mehr als 1.200 MW benötigt. Damit ist einerseits die regionale Energieversorgung der Flaschenhals für Großverbraucher wie Rechenzentren.

Andererseits gefährdet ein planloser Bau neuer Rechenzentren und ihr Energieverbrauch die Erreichung ambitionierter Klimaziele. Zwar ist es für die Klimawirkung egal, ob ein Rechenzentrum im Main-Taunus-Kreis oder im MainKinzig-Kreis steht. Aber nur im Main-Kinzig-Kreis können wir unsere Verantwortung wahrnehmen und unseren Einfluss nutzen, dass sich ein nachhaltiger Bau von Rechenzentren durchsetzt und durchgesetzt wird, welcher die Ressourcen Fläche, Energie und Wasser schont.

Hierfür ist eine transparente Regionalplanung nötig, welche die Bedürfnisse von Klima, Natur und Menschen in den Vordergrund rückt, Rechenzentren städtebaulich umweltverträglicher integriert und durch kluge Steuerung den Standortwettbewerb der Kommunen und das Wettbieten von IT-Firmen um Bauplätze auf das Wohl des Main-Kinzig-Kreises ausrichtet. Neue Rechenzentren sollen möglichst dort angesiedelt werden, wo ein Großteil der Abwärme (z.B. durch neue Wohnsiedlungen, Gewerbe, Schwimmbäder) genutzt oder abtransportiert werden kann (Nahwärme).

Außerdem sieht der EU-Pakt klimaneutrale Rechenzentren bis zum Jahr 2030 vor. Es ist insbesondere auch daher wichtig, jetzt vorausschauend Rechenzentren zu planen und klimaneutral zu konzipieren und zu bauen, um spätere Neubauten oder aufwändige Sanierungen zu vermeiden. 

Diese und weitere Kriterien sind in Ziffer 2 des Antrages genannt.

Durch die Einrichtung eines Runden Tisches soll ein koordinierter und ressourcenschonender Zubau von Rechenzentren ermöglicht und entstehende Zielkonflikte möglichst frühzeitig erkannt und bearbeitet werden.